Der nicht mehr gebrauchte Stall

Katalog

 

Aus der Collage von sechs Essays entsteht das widersprüchliche Bild eines Landes, in dem der Bauer, seinem politischen Auftrag entsprechend, sowohl erfolgreich modern wie auch traditionsbewusst sein soll. Jedes Essay wird durch eines oder mehrere Stallprojekte illustriert.
 

Das Ende der Tradition,
Von den Erben der Einsamkeit zum Landwirt als Unternehmer
Die bäuerliche Gesellschaft hat sich gewandelt, Südtirols Bauern sind Unternehmer geworden und haben gelernt, auf die Anforderungen des Marktes zu reagieren, um konkurrenzfähig zu sein. Die alten Höfe – und vor allem Stall und Stadel – werden den Erfordernissen eines modernen Betriebes angepasst. Dabei geht alte Bausubstanz verloren oder wird im letzten Augenblick vor dem Verfall gerettet, wie das Beispiel des alten Widums in Prettau zeigt.

Die toten Seelen
Über die Raumordnung und ihre Konsequenzen
Landwirtschaftliche Betriebe dürfen vom Ortszentrum ins sog. „landwirtschaftliche Grün“ aussiedeln, damit die Bauern besser wirtschaften können. Auf diese Weise ist das Dorfzentrum vieler Gemeinden zu einer Wohnbauzone geworden, die nichts mehr über die bäuerliche Herkunft verrät. Als Beispiel dient das Wohnhaus der Geschwister Regensberger in Percha im Pustertal, das an Stelle einer Hofstelle errichtet wurde.

Fremd in der Heimat
Von der Landwirtschaft zum Fremdenverkehr
In Gröden hat der Tourismus die Landwirtschaft als Erwerbsquelle schon längst verdrängt. Heute kämpft man im Tal um die Erhaltung der letzten Reste der bäuerlichen Kultur. Die Frage nach Anpassung und weiterer Nutzung wird in Gröden nicht mehr gestellt. Die Zukunft ist museal, das zeigt auch das neue Kulturzentrum im Nivesstadel in Wolkenstein.

Alles beim Alten
Der Bauer als Pfleger der Landschaft
Die Intensivierung der Landwirtschaft verändert die Kulturlandschaft, deren Pflege seit jeher in den Händen der Bauern lag. Aber nicht nur der Nebenerwerbsbauer hat heute keine Zeit für die Erhaltung von altem Kulturgut. Hohlwege und Trockenmauern haben in der Kosten-Nutzen-Rechnung keinen Platz. Ein seltenes Beispiel für die extensive Bewirtschaftung einer Alm ist die Almhütte von Josef Steger im Naturpark Riesenferner-Ahrn.

Vom Apfel zum Whiskey
Über die Vielfalt im Vinschgau
Vor hundert Jahren wogten im Vinschgau noch die Getreidefelder. Der intensive Obstbau begann in den 1960er-Jahren. Ausgehend von Meran wurden erst im unteren und später im mittleren Vinschgau Apfelbäume gepflanzt. Auch im oberen Vinschgau ist heute der Obstbau im Vormarsch. Gegen den Strom schwimmt Albrecht Ebensperger mit seiner Whiskey-Destillerie in Glurns, weil er den Getreidebauern eine Alternative anbietet.

Nichts ist ewig
Neue Nutzung für Stadel und Stall
Der Mut, auch einmal etwas Altes zu behalten, und die Freude am Dialog mit dem Bestand wird in den letzten Jahren von manchen Architekten wiederentdeckt. Dabei stoßen sie häufig auf Vorurteile, denn die Landbevölkerung hängt kaum am Alten. Sanierungen werden belächelt und kritisiert. Beispiele für das Recycling von alten Stadeln sind der Chorproberaum beim neuen Pfarrhaus in Tabland, ein Wohnhaus in St. Valentin auf der Haide und der als Garage genutzte Bärenstadel in Laas.
 

Der nicht mehr gebrauchte Stall
Eine Recherche in Südtirol
Die Publikation erschien im Rahmen der Wanderausstellung „Der nicht mehr gebrauchte Stall“, 2011 im Verlag Raetia.

Ein Fotoessay von Nicoló Degiorgis im Mittelteil des Katalogs zeigt Bilder aus dem Bauernalltag 2011.

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